Von Männern und Frauen - ein Fortsetzungsroman

Tag 2

3:02 Uhr … Da hat aber jemand Stehvermögen. Oder ist das noch ein Jungspund, der bis sonst wann wach bleibt und dann völlig übermüdet in der Berufsschule sitzt?

Johnny. Johnny. Kannst Du tanzen, Johnny? Nenn mich Baby. Ich bin auch nicht zu schwer für die Hebefigur. Und wenn Du willst, zeige ich Dir, wie man Mikado spielt. Oh mein Gott, wenn er wirklich so jung wäre, dass er Mikado nicht kennt, könnte ich fast seine Mutter sein. Nennt mich Madonna!

Johnny … Klingt gut. Manuela klingt dagegen ziemlich – naja – einfach. Aber wahrscheinlich heißt er in Wirklichkeit auch Hans-Joachim.

Schwarzes Leder! Niemand sah mich je in schwarzem Leder. Aber ich stehe trotzdem drauf. Vielleicht sollte ich meinen Kleiderschrank dahin gehend komplettieren. Einen schwarzen Lederrock, einen passenden Mantel und ein knallrotes Top mit ganz weitem Ausschnitt. Mag sein, dass mein Schatz das auch mag. Vielleicht auch ein schwarzes Halsband. Zum abends weggehen das ideale Outfit. Muss ich gleich nachher mal im gut sortierten Fachhandel nachsehen. Darf man mit 42 eigentlich noch Goth spielen?

Egal. Im Netz darf man alles spielen. Johnny sieht mich ja nicht. Ich ihn leider auch nicht. Andererseits ist das vielleicht besser so. Ein knackiger, durchtrainierter Jüngling von vielleicht 34 und eine ziemlich normale, einfache 42jährige. Was für ein Paar.

Hoffentlich schreibt er trotzdem wieder.

Halleluja !

Was für ein Tag. Starkregen, Wassereinbruch in Montagehalle, Not-Aus, alle Maschinen stop, 2 Stunden eher Feierabend.

2 Stunden länger Zeit für das kleine rockluder, mein Kätzchen.

Denkste. Pustekuchen!

Da kommt man nichts ahnend von der Schicht nach Hause, hört beim Aufschließen der Wohnungstür laute hämmernde Musik. Ich folge der Musik bis in unser Schlafzimmer, und was sehe ich?

Meinen Schatz! Gut, ich hätte nicht lachen dürfen, mein Fehler, aber jeder andere hätte auch gelacht. Ist das meine Wohnung, mein Schlafzimmer, meine Frau? Verwirrt reibe ich mir die Augen, bevor ich vor lauter Lachen auf dem Bett zusammenbreche.

Steht doch mein Schatz vor dem Spiegel, trägt einen engen, schwarzen und kurzen Rock, darüber einen Fummel in Rot, hat die Haare ganz anders als sonst, wild und toupiert, hält eine Haarbürste vor ihrem Mund, singt in diese Haarbürste rein, trägt dazu Tennissocken und die ollen Hausschuhe mit dem Puschel oben drauf und führt einen Tanz auf, der Schuld an diesem verdammten Regen sein muss. Alter, da kannste Dich nur weg schreien.

Erst flog ich aus dem Schlafzimmer raus, dann aus der Wohnung. Bin zu Hotte, in die Stammkneipe ums Eck. Hotte meinte, das wird teuer für mich. Blumen, Geschenke, Komplimente, Abendessen, Kino, Theater, Dichterlesungen, Kurzurlaub, Cocktails, na ja und noch mehr eben. Könnte alles auf mich zukommen in den nächsten Wochen. Weiber.

Anders ist da mein Kätzchen. Werd noch mal on gehen. Hoffentlich hat sie geschrieben.

Andere Mütter haben eben auch schöne Töchter.

Ach so, ich schlaf heute wohl auf der Couch. Mein Bettzeug liegt schon da.

Zauberfee ich eile zu Dir.

Hicks. Scheiß Schnaps.

Männer! Mistkerl verdammter! Zockt stundenlang an seinem Computer (soll er von mir aus) und wenn ich mir Gedanken machen, wie ich in vielleicht mal zu einer Zeit ins Bett kriege, wenn ich noch wach bin, lacht er lauthals! Aber dann braucht er auch nicht in meinem Bett zu liegen. Die Couch reicht.

Lederrock, rotes Top … Alles, um ihn zu beeindrucken. Und er kommt früher nach Hause und anstatt mich anzurufen – man hätte ja was unternehmen können – platzt er ins Schlafzimmer und kriegt erstmal einen Lachkrampf. Am liebsten würde ich das Zeug wieder zurückbringen.

Mache ich aber nicht. Ganz im Gegenteil. Ich ziehe die Klamotten am Samstag an, schnappe mir meine beste Busenfreundin und ziehe um die Häuser. Wenn er lieb ist, darf er mitkommen. Zumindest solange er sich benimmt. Und wenn er bis dahin wieder auf dem Boden ist, sieht er vielleicht auch, was ich noch gekauft habe.

Johnny ist anders. Nett. Er hätte vielleicht gegrinst. Aber er hätte nicht gelacht. Oh, und er ist online. Soso, mein Prinz ist er also. Na gut. Prinzen sind gut. Aber er wird sich bewähren müssen.

Johnny ist ein Gentleman. Ich mag ihn. Ich sollte ihn einladen, wenn ich am Samstag mit meiner Freundin um die Häuser ziehe. Er mag jedenfalls schwarzes Leder.

Ich sollte jetzt schlafen. Aber ich kann nicht schlafen. Johnny hält mich wach. Ich möchte von ihm träumen. Aber dazu muss man nicht schlafen.