Von Männern und Frauen - ein Fortsetzungsroman

Tag 5

Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Wer hätte das gedacht? Mein Jochen als absolut handzahmer Bursche. Geht Frühstücksbrötchen holen, bringt Blumen mit, lässt mich ausschlafen. Und das sogar das ganze Wochenende.

Und er sieht recht hübsch aus im Smoking. Ihm selbst schien der Smoking auch ein bisschen gefallen zu haben. Als ich gestern aufstand, kam er gerade vollkommen verschwitzt ins Haus. Er war joggen. Meinte, ein paar Kilo müssten runter, wenn er noch mal einen Smoking tragen soll. Auch wenn ich keine Ahnung habe, wann er wieder einen Smoking anziehen will. Ich lasse mich einfach überraschen.

Überraschungen scheinen ja plötzlich seine Spezialität zu sein. Nicht nur, dass er am Wochenende das Frühstück gemacht hat, er hat sich auch rührend um uns Mädels gekümmert, während wir in verrückten Klamotten im Garten herumsprangen und wild die Lieder unserer Jugend grölten. Schatz hat uns sogar den Fernseher rausgetragen, damit wir an der frischen Luft spielen können. Er hat uns Cocktails gemixt, Häppchen serviert, den Aschenbecher geleert, wenn er voll war. Hat sich sogar eine Stoffserviette über den Unterarm gelegt, um den Kellner zu spielen. Und er trug die ganze Zeit tapfer kein Hemd und das Jackett offen.

Zur Belohnung bekam er dann auch eine Zigarre, denn er hat mich am Samstag voll und ganz zufrieden gestellt. Auch nach der Party.

Jochen hat sich solche Mühe gegeben, dass ich beinahe nicht mehr an Johnny dachte. Ich war so in der Wirklichkeit gefangen, dass ich das Spiel im Forum tatsächlich vergaß. Ich habe mich aber gestern Abend noch bei ihm gemeldet, als Jochen vor seinem Rechner saß. Wollte nur sehen, ob es Johnny gut geht. Er war nicht on. Also habe ich ihm drei Zeilen hinterlassen: Ich bin noch unter den Lebenden, mir geht’s gut, wollte nur sehen, ob er da ist.

Schade, bis jetzt keine Antwort. Oder war die Sache mit der Höchststrafe nur Gerede und er hat sich die nächste Venus geschnappt?

Mal sehen, ob er darauf reagiert. Und mal sehen, wie Jochen heute Abend drauf ist. Hat ja diese Woche Frühschicht. Mit ein bisschen Glück hat er sich am Nachmittag etwas ausgeruht und ist heute Abend fit. Wir haben noch etwas Sekt übrig.

Klinge-linge-ling hier kommt der Johnny an. Knie nieder Du Weib. Jo kriegt sie alle. Mr. Love Machine is back.

Das Wochenende war einfach nur genial. Das Rockluder hat mich vermißt, und der Rest der Damenwelt liegt mir zu Füßen.

Gleich kommt mein Schatz von der Arbeit nachhause. Ich werde mich sofort um Schatz kümmern, denn dann … Ja dann, habe ich den ganzen Abend frei für mein kleines Luder. Mein rockluder68.

… hier kommt der Johnny an.

Feierabend!

Irgendwie mag ich Montage nicht. Und wahrscheinlich bin ich damit die Einzige auf der ganzen weiten Welt. Alle anderen im Büro waren jedenfalls irre fröhlich heute. Entweder haben sie am Wochenende etwas anderes als Zigarren geraucht oder sie sind froh, nicht zu Hause sein zu müssen. Soviel Frohsinn am Montag sollte verboten werden.

„Hallo Schatz, bin zu Hause.“

Was riecht hier so? Nein! Mein Schatz hat gekocht. Hat er etwas vor? Noch zu viel Energie übrig vom Wochenende? Sogar der Tisch ist gedeckt. Mit weißen Servietten – wer die wohl wieder waschen wird – und Kerzen. Eine einzelne rote Rose auf meinem Platz. Nun ist ja gut, die Sache mit dem Lachen ist ja erledigt. Obwohl … Nein, ich lasse es laufen und genieße es, solange es anhält.

Das Essen braucht noch ein bisschen. Zeit genug, um mal nach Post zu gucken. Tatsächlich – Sie haben Post. Häh? Was’n das?

„Von kleiner_chaot an rockluder68: Hi, Süße! Nettes Profil. Bisd Du wirklich so ein Luder? Vileicht könn wir uns ja mal trefen.“ Ja, zum Nachhilfeunterricht in Sachen Rechtschreibung. „Bist zwar 11 Jahre älter als ich aber das macht nix.“ – schönen Dank auch, aber das ist ja wohl ein Satz mit X. Aber ich sollte die Mail aufheben. Falls Johnny mal wieder daneben haut. Um ihm klar zu machen, dass er nicht konkurrenzlos ist. Auch wenn er es in der virtuellen Welt doch ist. Aber als abschreckendes Beispiel reicht der Chaot auf jeden Fall.

Johnny, der kleine Prinz des Tanzbodens, hat auch geschrieben. Soso … Racker, Wildfang, Lausebengel. Eine Rohling zum Glühen und Schleifen ist er. Nun denn – was jetzt kommt, hast Du Dir selbst zuzuschreiben.

Tja mein lieber Schatz, ich fürchte, Du wirst Dich heute noch mal mit mir beschäftigen müssen. Kriegst auch noch eine Zigarre. Sind ja noch welche da. Hinterher. Im Garten.

Oh, Essen ist fertig. Sehr schön. Ich verhungere.

Olé!

Olé, olé olé!

Das war doch mal ein gelungener Feierabend. Erst das romantische Essen mit meinem Schatz, dann ein Glas Wein auf dem Sofa, Kuschelrunde mit inbegriffen, und nun ist mein Schatz müde.

Hallo, ich höre was. Tock Tock, es klopft jemand an. Meine Körpertemperatur steigt um einige Grade, immer dann, wenn ich an das kleine Rockluder denke, mein Adrenalinspiegel schnellt hoch, und ich plädiere auf Unzurechnungsfähigkeit im Zusammenhang mit dem kleinen Luder.

Yep. Sie hat geschrieben.

Weiber. Als wenn ich mich jetzt ernsthaft dafür interessieren würde, was sie über das Tanzen denkt. Ich tanze wie ein Schwein klettert, nämlich gar nicht. Tanzen und Weihnachten sind einzig und allein Erfindungen von Frauen für Frauen. Basta.

Was aber viel interessanter ist, das kleine Luder hat meinen Treue-Test bestanden. Braves Mädchen! Gut gemacht! Komm, Köpfchen streicheln. Sie hat dem „kleinen Chaoten“ nicht geantwortet. Jochen ist nämlich auch ein „kleiner Chaot“ und nicht nur eine fleissigeameise. Einen Jochen kann man nicht so einfach hinters Licht führen. Ein Jochen hat immer und überall voll den Durchblick. Aber so was von voll. Ja, der Jochen hat was drauf.

Francis, dafür sollst Du belohnt werden. Deine Treue soll nicht umsonst sein.

Aber erst mal Themenwechsel, weg vom Tanzen hin zum Wesentlichen.

Weiber, immer muss man das volle Schnulzenprogramm abziehen, sonst laufen die Mädels einfach nicht rund.

Was ist bloß in Jochen gefahren? Er kocht uns was zum essen, diniert mit mir romantisch bei Kerzenlicht – nicht ganz so wirkungsvoll mitten am Tage, aber die Geste zählt – und massiert mir hinterher auf der Couch die Füße. Einen kurzen Augenblick lang war ich versucht, mir mehr zu nehmen. Aber es war zu früh am Tage.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass er immer noch ein schlechtes Gewissen wegen neulich hat. Aber egal. Wenn’s läuft dann läuft’s. Und nach so viel Aufmerksamkeit hat mein Schatz es sich verdient, noch ein bisschen zu spielen. Sagen wir bis halb elf. Dann geht’s ins Bett. Dann können wir da weitermachen, wo wir aufgehört haben.

Oh, Sie haben Post!

Aha, versunken in einer Welt von Musik. Vermutlich in Wirklichkeit wild den Kopf schüttelnd in der ersten Reihe bei Manowar. Wäre aber auch cool. Also einverstanden, ich lasse mich mal drauf ein und sage ihm nicht, dass mein geliebter Gatte bei unserer Hochzeit Welten besser tanzte als ich. Und unter uns: Auch das war nicht der Stein der Weisen. Dafür haben wir viel gelacht. Jedes Mal, wenn einer von uns über die eigenen Füße stolperte. Und wir haben mehr gelacht als beim „Leben des Brian“.

„Schatz! Feierabend! Komm sei lieb und räum Dein Spielzeug auf. Lulu, Zähne putzen und dann ab zu mir ins Bett!“ Wir waren schließlich noch nicht fertig mit den Massagen.